Tagebuch von Hope

6. Oktober

Als Hopi ankam, trug er ein Halsband. Da an seinem Hals einige Geschwüre zu ertasten sind, die teilweise recht groß sind, ist ein Halsband kontraproduktiv. Eigentlich wie jedes Halsband, denn wer möchte schon am Hals gezogen werden? Ein Brustgeschirr muss her! Diese Überlegung sprach ich laut aus und mein Mann Jörg antwortete:" Nimm doch Geschirr von Mäuschen (unserem Whippet Mädchen)! Das müsste passen!" Ich starrte ihn ungläubig an! So was kann nur von einem Mann kommen! Mäuschen's Brustgeschirr ist maßangefertigt und ihr und nur ihr Brustgeschirr! Hopi braucht ein eigenes! So viel pragmatisches Denken bereitet mir schon körperliches Leid zu! Jörg wäre sicher auch imstande eine Leine in nicht passender Farbe zu kaufen! Unmöglich!

Hopi's Durchfall macht mir Sorge! Sein Körper ist ohnehin schon ausgemergelt und der Flüssigkeitsverlust durch den Durchfall kann ganz schnell zur Katastrophe führen. Da ich im Laufe der Jahre schon einiges mit meinen Tieren durchmachen musste, bin ich gut ausgerüstet. Im Schrank liegt mein zusammenklappbarer Infusionsständer, den ich dem Himmel sei Dank auch gleich wieder fand. So ein Schrank entpuppt sich manchmal als "schwarzes Loch", in dem Gegenstände verschwinden. Hopi schlief tief und fest und merkte den Stich der Nadel gar nicht. Das beunruhigte mich! So ein tiefer Schlaf bei geschwächten Tieren lässt bei mir die Alarmglocken läuten. Die Ringer Lactat Lösung tropfte langsam unter seine Haut. Nach einiger Zeit wachte er auf und sein Blick war klar. Nach der Infusion bereitete ich sein Essen zu. Zu seinem "Reis und Huhn" mischte ich ein Säckchen Rekonvaleszenz Pulver für Hunde zum Aufbauen. Das stellte ich ihm zwischen die Pfoten. Er roch daran und drehte seinen Kopf zur Seite! "Oh oh!", dachte ich, „jetzt verweigert er die Nahrung! Nicht gut!“. Ich schob ihm die Schüssel nochmals unter die Nase und dann passierte es! Hopi ließ sich wie ein Stück Holz zur Seite fallen. Bewegungslos lag er da, den Blick von mir abgewendet ins Leere starrend! „Das war es jetzt“, dachte ich, „alles umsonst gewesen! Jetzt kippt er mir weg! Er wird sterben!!! Das darf alles nicht wahr sein! Bitte nicht! Bitte nicht!“ Eine Hitzewelle stieg in meinem Körper hoch, ließ meinen Herzschlag aussetzen und hielt in der Halsgegend inne. Es fühlte sich an, als ob mich jemand am Hals gepackt hätte und fest zudrückt. Ich bekam keine Luft mehr! In meinem Kopf raste es und ich ging in Gedanken jene Kliniken durch, die Abend-, bzw. Nachtdienst haben und in denen auch kompetente Tierärzte anzutreffen sind (ist ja mitunter nicht einfach). Sie müssen ihn retten! Hopi rührte sich nicht. Ich suchte mein Handy und versuchte mich zu beruhigen. Ich atmete tief durch und dachte kurz nach. Er hatte schon mal den Kopf zur Seite gedreht. Als ich ihm das aufgeweichte Trockenfutter geben wollte, machte er das auch. Das hat er ja von seiner Essensauswahlliste gestrichen. Ich wollte noch einen letzten Versuch starten, bevor ich den Ausnahmezustand ausrufe und holte den Rest vom „Huhn mit Reis“ aus dem Kühlschrank. Ich wärmte es kurz und ließ das Pulver weg. Ein puristisches Huhn mit Reis. Ich stellte es ihm hin und wartete. Es dauerte die bereits bekannten drei Sekunden, bis der Geruch angekommen war und plötzlich begann er zu essen, als ob es kein Morgen gibt. „Unfassbar!“, dachte ich, „der Kleine hält mich ganz schön auf Trab!“. Ich war heilfroh, dass nur das Pulver an seiner Verweigerung schuld war. Sein Appetit war ungebrochen fantastisch!

Am nächsten Tag ging ich ein Brustgeschirr kaufen.

 

Mit unserem hochgeschätzten und sehr kompetenten Tierarzt hielt ich Rücksprache über die Situation von Hopi! Er befahl mir förmlich Hopi unbedingt mit mindestens einem Liter Ringer Lösung am Tag zu versorgen, eineinhalb wären besser. Er kann niemals so viel trinken, wie er müsste um den Flüssigkeitshaushalt auszugleichen. Dazu hat er uns ein tolles Tonikum, besonders auch für ältere Hunde geeignet, verschrieben das Hopi mit allen Vitaminen, Spurenelementen, etc., versorgt. Antibiotika für alle Fälle und einen Becher für eine Kotprobe habe ich bekomme. Wir haben alles, was wir brauchen. Das Wochenende kann kommen!

 

Am nächsten Tag war Hopi ausgeruht und erholt.

Ich legte ihm sein neues Brustgeschirr an, das um den Rumpf etwas zu groß ist. Eine Kleineres wäre für seinen Kopf nicht passend gewesen. Er wird schon reinwachsen! Wenn er etwas zugenommen hat, wird es perfekt sein!

 

Beim Spazierengehen muss ich Hopi Orientierung geben. Man muss in seiner Nähe bleiben und er meine Beine sehen. Verliert er die Orientierung marschiert er in irgendeine Richtung, manchmal auch in die entgegengesetzte. Man sieht ihm die Anstrengung an, wenn er geht, aber ein wenig Bewegung muss sein.

 

An der Ecke wohnen meine Tante und mein Onkel. Ihr Grundstück ist von einer dichten Hecke umzäunt. Genau an dieser Ecke trafen wir meinen Mann Jörg, der mit einem unserer Hunde zurückkam.

 

Wir blieben stehen und redeten kurz. Hopi begann zu schnüffeln. Was soll man auch sonst machen, wenn die Menschen nicht weiter gehen? Plötzlich hob Hopi sein Bein, balancierte auf dem anderen und löste sich an Tante’s Hecke. Wir standen beide da und starrten ungläubig. Jörg sagte: „ Hast du das gesehen? Der kann nicht mal laufen und jetzt macht er Kunststücke!“ Ich musste lachen, denn diese Beschreibung traf genau ins Schwarze. Beim Harn Lassen stemmt Hopi immer seine beiden Hinterbeine ins Gras und wenn die Sache länger dauert, reicht die Kraft oft nicht aus, dass er sich in dieser Position halten kann. Seine Knie wandern immer weiter nach unten, dass ich oft fürchte, dass er zum Knien kommt. Kam er aber bisher nicht. Irgendwie schafft er es immer durchzuhalten und immer besser denke ich manchmal. Tja.. wenn man diesen Anblick kennt, dass erscheint das plötzliche Heben des Hinterbeines tatsächlich wie ein Kunststück! Ich staune jeden Tag über seinen Lebenswillen und seine Kraft!