Tagebuch von Hope

5. Oktober

Aus Hope wurde in zwei Tagen Hopi! Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ihm Hopi auch besser gefällt. Heute haben wir unsere Morgenrunde deutlich besser absolviert. Kein Tuch um den Bauch zum Stützen war nötig. In einer Parallelgasse haben wir bei einer lieben Nachbarin Pause gemacht. Sie war ebenfalls schon sehr neugierig auf Hopi und so läutete ich kurzerhand an. Die Tür öffnete aber ihr Mann. Er kam zu uns raus auf die Straße und fragte:“ Ist er das?“. „Ja!“ Das ist er! Hopi stand da, wusste nicht warum wir da standen und drehte seinen Kopf in beide Richtungen, wie er es immer macht, wenn er nicht weiß wohin er gehen soll. Der liebe Nachbar redete sanft mit ihm und hielt ihm ein getrocknetes Fleischstück hin. Hopi reagierte nicht. „Er mag es nicht“!, sagte der Nachbar enttäuscht! „Er mag es!“, antwortete ich ihm. „Du musst es ihm nur vor die Nase halten! Er sieht es nicht!“. Als der Mann das tat, dauerte es noch drei Sekunden bis der Geruch in Hopis Gehirn angekommen war und dann schnappte er wie uns schon bekannt, wie eine Schlange zu. Der Nachbar erschrak kurz, aber dann lächelte er. Es ist immer wieder ein schönes Gefühl, wenn ein Tier Nahrung aus unserer Hand annimmt. Das hat anscheinend eine ähnliche Wirkung wie Serotonin in Schokolade. Wir verabschiedeten uns und torkelten weiter. Ein Stück weiter ging er in die Hocke. „Schon wieder?“, dachte ich, „Er hat doch schon ins Wohnzimmer gekackt!“ Als ich mich zur Seite bog, sah ich das was ich befürchtet hatte. Hopi hatte etwas Durchfall! „Das ist nicht gut! Gar nicht gut!“, dachte ich. Ich hatte sein Trockenfutter etwas mit dem Futter vermischt, das unsere Hunde bekommen. Ich wollte ihn langsam umstellen, um das Trockenfutter dann gänzlich wegzulassen. Aber es war anscheinend der kleinen Mengen von Fleisch und hochwertigen Nassfutter dennoch zu viel für ihn. Leider hockte er auch noch ausgerechnet auf dem Kieselweg einer Dame, die schon Schreianfälle bekommt, wenn man mit einem Hund auf der anderen Straßenseite vorbei geht. Aber sie bemerkte unsere Darmprobleme Gott sei Dank nicht. Diesmal versuchte Hopi auch nicht bei jedem Gartentor hinein zu gehen. Erst, als wir bei unserer Einfahrt angekommen waren, bog er sofort rechts ab und schlurfte zum Haustor. Er weiß also schon genau, wo er hingehört. Das berührte mich sehr, denn er erscheint schon noch oft recht orientierungslos. So viel Raum nach so vielen Jahren in vier Quadratmeter Lebensraum muss erstmal verarbeitet werden.

Zuhause angekommen bekam er einem „Zwischendurch-Keks“ und sein Blick war plötzlich offen und klar und er sah in mich hinein. Diese Momente kommen erst langsam und sind noch selten. Obgleich er sehr große Fortschritte macht und diese vielen Eindrücke und Veränderungen in seinem hohen Alter großartig meistert, habe ich oft das Gefühl, dass er erst lernen muss, dass die Aufmerksamkeit ihm alleine gilt und dass die Gefühle von Liebe und Fürsorge tatsächlich seiner Person gewidmet sind. Das hält er anscheinend noch für einen Eindruck halluzinativen Charakters.

Nach dem Frühstück und seinem Schinkenpaket, gefüllt mit allerlei Aufbaustoffen, fiel er in einen verdienten Erholungsschlaf.

Am Nachmittag war Staatsbesuch angesagt! Meine Eltern kamen, um das neue Familienmitglied zu begrüßen. Meine Mutter kniete nieder und näherte sich Hopi langsam. Sachte streichelte sie über seinen Kopf und redete leise mit ihm. Währenddessen holte ich einen Napf mit frischem Wasser und wollte ihn Hopi hinstellen. „Nein!“, schimpfte meine Mutter plötzlich, „Was machst du denn?!“ Ich war verwirrt! „So macht man das nicht!“, meinte sie mahnend! „Jedesmal wenn du dich ihm näherst, musst du ihn zuerst streicheln!“; setzte sie nach!

Na gut, dann mache ich was Mama sagt!

Hopi war die fokussierte Aufmerksamkeit nicht ganz geheuer und er lenkte seinen Blick immer wieder seitwärts. Aber nach ein paar Minuten fing er an die Zuwendung zu genießen. Weil natürlich immer alles zusammen kommt, läutete es plötzlich! Es war meine liebe Nachbarin, die ich heute Morgen mit Hopi besuchen wollte. Die ließ sich ebenfalls vor seinem Bett auf die Knie fallen und redete mit zitternder Stimme mit Hopi, so gerührt war sei bei seinem Anblick.

Ich dachte, dass er nun restlos überfordert ist, aber siehe da. Er ließ sich fallen und genoss die Streicheleinheiten.

Wir entdeckten dann einige Narben auf seiner Stirn und seiner Schnauze!

Meine Mutter murmelte:“ Ich verfluche die Menschheit!“.

Ähnliche Gedanken hatte ich auch und versuchte die Bilder aus meinem Kopf zu vertreiben, die ich bei dem Versuch mir vorzustellen wie es zu solchen Narben kommen kann hatte.

Angela (Kopf und Herz der Tierschutzhunde Russland) schrieb mir später, dass dies typische Narben sind, die von Hundefänger in Russland verursacht werden, die mit Drahtschlingen und brutalen Schlägen agieren. Ein Alptraum!

Ich mag mir nicht vorstellen, was er und die tausende anderen Hunde da erleiden mussten und müssen!

Nach dem Besuch begann ich Hopis Abendessen zu kochen. Huhn mit Reis, damit wir seine Darmflora beruhigen können. Er verweigert auch zunehmend das langweilige Trockenfutter. Davon hat er wohl die Schnauze gestrichen voll.

So ging der Tag langsam zu Ende und Hopi fiel wieder in einen traumintensiven Schlaf!